Dirtgirl Susi Kohlbacher war bei der Hellas Rallye. Lest hier, was sie erlebt hat:
Rallyefahren ist Schotterstraßen blasen nach Roadbook. So das Vorurteil jener, die’s selbst noch nicht erlebt haben. Amateurrallys zu fahren ist dann also auf Schotterstraßen durch die jeweilige Landschaft goggeln, mit Roadbook. Wenn man dann auch noch in Griechenland an einer Amateurrallye teilnimmt, hat frau auch noch einen feinen Strandurlaub. So die Milchmädchenrechnung einiger Zeitgenossen.
Da muss ich jetzt das simple Sportweltbild des einen oder anderen etwas zurechtrücken, denn der Rallyesport sieht anders aus. Mittlerweile spicken die Veranstalter die Tracks mit deftigen Enduroabschnitten, verlängern die Etappen dermaßen, dass selbst Profis 9 Stunden am Bike schuften, um am Ende eines harten Tages ins Ziel zu kommen. Nein, ich spreche nicht von der Dakar, sondern von der zuletzt bestrittenen Hellas Rally, welche den Reigen des Leidens am 6.Mai mit dem Prolog eröffnete.
6 harte, lange Tage führten die Tracks durch sensationell schöne griechische Landschaft. Mit dabei in der Legion der Helden: Pedro Bianchi Prata, Dakar erprobter Athlet auf Husqvarna TE449, David Fretigne, Enduro Legende und ebenfalls Dakarpilot, auf dem Riesenbock Tenere 1200, Francesco Catanese auf der auch nicht gerade zarten KTM 950RR, was soll ich sagen, auch schon Dakar geschunden. Stark vertreten die Unerschrockenen aus Österreich: Heinz Kinigadner hat seine Familie und noch ein paar Gaskranke eingepackt und schickte neben den Benzinbrüdern Tobias Moretti und Gregor Bloeb auch den MX3 Weltmeister Matthias Walkner an den Start, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nie nach Roadbook gefahren ist.
Der Luki wiederum, eh schon wissen, jener welcher, der mich mittels Serres Rally loswerden wollte, hat sich beim Training in Dalmatien 3 Rippen zerstört und ließ nun seine Horde Wilder lukiseelenallein ins Verderben stoffen. Dennoch war der Johannes „Luki“ Lukas, trotz schmerzverzerrtem Gesicht – weniger auf Grund der geteilten Rippen, sondern weil nicht selbst am Mopped, um Fretigne und Catanese den Marsch zu blasen – ein sensationeller Teamchef, der gefühlt das gesamte Fahrerlager mit Ersatzteilen, Mechanikerkönnen und frechen Sprüchen versorgt hat.
Insgesamt traten 127 Racer am Bike den Kampf an, 104 standen nach dem 6. Tag der Rally noch in der Wertung, erfreulicherweise ich nicht als letzte. Mit den Bikes wurden auch Quads, Side by Sides und Autos auf die Strecke gelassen, was dem Rennen noch das letzte Quäntchen Würze verlieh, denn ein zu motivierter Fahrer, der mich nach einer Kurve überholte, als wäre der Teufel hinter ihm her, lag vor der nächsten Kurve bereits am Dach. Man könnte nun annehmen, mich im Gnack zu haben, sei noch unangenehmer, als mit dem Belzebuben auf Tuchfühlung zu gehen….
Was der Pilot im Auto nicht wusste: Belzebubis vermeintliche Schwester ist lammfromm wenn sie nicht auf ihre 8 Stunden Schlaf kommt. Nach dem Prolog präsentierte die Orga das ernüchternde Ergebnis der Durchschnittsgeschwindigkeiten. Die starken Regenfälle der letzten Wochen hatten die Tracks nun deutlich schwieriger gestaltet, die schnellsten Fahrer würden für die morgigen Etappen mindestens 9 Stunden benötigen. Also: der erste Fahrer startet um 4:30. Pedro Bianchi Prata, 3. des Prologs zuckte zusammen wie eine mit TUS attackierte Spinne. Ich auch, denn für mich hieß es somit: Start um 5:30, also im noch Finstern der Nacht, bewaffnet mit Stirnlampe, da ich keine Beleuchtung im Roadbook Halter habe.
Das Veranstalterteam gab sich alle Mühe die Strecken so abwechslungsreich und würzig als möglich zu gestalten. Erzberg ähnliche Serpentinen wechselten sich mit Flussdurchfahrten und grandiosen Waldwegen ab. Die Flussdurchfahrten waren tatsächlich als solche zu erkennen, denn die Regenfälle verwandelten so manchen Bach in ein Hindernis, welches, zumindest mir, auch ohne Mopped die Beine wegzog. An dieser Stelle möchte ich mein HTC Wildfire loben, denn dieses Handy ging bei dieser Rally nicht zum ersten mal baden und es funktioniert noch immer. Breslau typische Szenen spielten sich nun im griechischen Wald ab: Fahrer schufteten im Team, um das Bike an die andere Seite des Flusses zu bringen, einige Glücklose standen verstreut in der Gegend und pumpten Wasser aus dem Mopped. Auch David Fretigne ging mit seiner Tenere 1200 baden und verlor so jegliche Aussicht auf einen Spitzenplatz. Immerhin, er konnte diese Etappe beenden und finishen. That‘ Rally life.
An diesem 2. Renntag verbrachte ich 12 Stunden am Mopped, wohlgemerkt auf stetig nassem Fuß, denn es wollten ca. 6 Flussdurchfahrten überquert werden.. Und nochmal reagierte die Orga nach diesem Tag schnell und absolut richtig, denn das Briefing wurde auf den kommenden Morgen und der Start des ersten Bikes auf 9:00 verlegt. Zu groß wäre sonst das Risiko, dass übermüdete Fahrer sich verletzen. Mit etwas mehr Schlaf als am Tag zuvor lief ich zur Höchstform auf. Die Streckenführung kam mir sehr entgegen, flüssiger Verlauf, etwas Enduro im Wald, keine Navigationsfehler, steinige Wege, die sich aber sehr flott fahren ließen. So arbeitete ich nicht nur meinen Reifen komplett auf, sondern überholte mehrere Fahrer auf der Strecke und Dakar Lady Jenny Morgan um 7 Minuten am Ende des Tages. Ein israelischer Pilot im Auto stapfte am Ende der Special Stage 2 zu mir und war ziemlich aufgeregt: „ You are crazy people! Crazy people!“ Oh Mann, ich dachte schon, verdammt, was hab ich ihm auf der Strecke getan, ich kann mich nicht erinnern….“You are crazy people riding these tracks on a bike!“ Und schon war ich 10cm größer und nahm das Messer endgültig zwischen den Zähnen raus. Auf dieses hatte ich den ganzen Tag gebissen.
Die Rechnung wurde mir recht schmerzhaft am nächsten Tag präsentiert. Nach 15km in der Sonderprüfung hatte ich das Mopped bereits 2x weggeschmissen, meine Hände schliefen permanent ein. Ich entschied mich dazu, auszusteigen und zurück ins Fahrerlager zu fahren. Die Enttäuschung war riesengroß, bin ich doch bis dahin ein wirklich tolles Rennen gefahren. Doch jetzt hieß es mal pausieren. Weiser Entschluß, wie sich für den folgenden Renntag herausstellte. Ursprünglich standen 570km am Plan. Die schnellsten Fahrer hätten für diese Distanz auf Grund der Erfahrungen von den vorangegangen Tagen, sage und schreibe 16 Stunden benötigt. Zusätzlich lag in den Bergen der Special Stage 3 noch Schnee. Absolut unmöglich. Vorallem hieß es auf den ersten 30km der Sonderprüfung 1: HARD ENDURO!!! Ein mörderisch harter Tag für die Fahrer, die ins Rennen gingen. Meine liebe griechische Rallyfreundin Chara, die letztes Jahr auf ihrem orangen Kawasaki Quad die Damwertung für sich entschied, kollabierte auf der letzten Verbindungsetappe. Bis spät in die Nacht war die Orga damit beschäftigt, Fahrer zu bergen. An der Spitze lieferten sich Hias Walkner und der Tscheche Ondrej Klymciw bereits seit Tagen ein heißes Kopf an Kopf Rennen, welches der absolute Rallynovize schlußendlich mit 22 Minuten Vorsprung auf Ondrej für sich entscheiden sollte. Eine grandiose Leistung des 27 jährigen Kuchlers. Denn er verblies auf der Hellas Rally nicht nur Klymciw, sondern auch mehrfache Dakarteilnehmer. Einfach großartig, ich gratuliere hier nochmal ganz herzlich zu diesem Erfolg!
Auch ich ließ mir meinen persönlichen Erfolg nicht nehmen und startete am 6. und letzten Fahrtag nochmal ins Rennen. Die letzte Zieleinfahrt – einfach ein unbeschreibliches, unbezahlbares Gefühl, das dich just in dem Moment jegliche Anstrengung und Schmerzen vergessen lässt.
Die Jungs auf dem Podium:
WALKNER Matthias, KTMEXC450, KLYMCIW Ondrej,HUSQVARNA 450TE +22:08, PRATA Pedro Bianchi, HUSQVARNA TE449 +37:48
Die Hellas Rally ist (noch?) nicht ganz so endurolastig ausgelegt wie die Serres Rally (beide in Griechenland). Das Veranstalterteam hat sehr großen Wert darauf gelegt, die Tracks so zu gestalten, dass die Teilnehmer auch die landschaftliche Vielfalt in der Region rund um das Städtchen Nafpaktos erleben können. Die Verbindungsetappen verlaufen meist auf Asphalt, teilweise aber auch auf offroad. Das Roadbook wurde vor jedem Tag nochmals überprüft, ein paar Fehler haben sich hie und da doch eingeschlichen (oder war ich einfach schon so gaga im Hirn – ich würde das mal nicht ausschließen). Besonders schön war der Showstart, die Begeisterung der Zuschauer und Bewohner der Stadt war groß und die Anfahrt zur Bühne wurde ähnlich wie der Sturm auf Eisenerz begrüßt und bejubelt.
Kurz: eine sehr schöne Rally, gut organisiert, immer wieder mit Spitzenfahrern besetzt. Wer nicht Matthias Walkner heißt oder bzw. und MX Weltmeister ist, kann die Hellas auch gut als Rallyeinsteiger fahren, jedoch ohne den Anspruch, alle Stages zu meistern. Zu lang sind die Distanzen. Im Team zu fahren bringt nicht nur generell viel Spaß, es hilft auch ungemein, schwierige Passagen, wie die Flussdurchfahrten zu meistern. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an meinen Schutzengel Tom, der diesmal hinter mir viel Staub und Dreck geschluckt hat.