Die Schnapsidee der Siegerehrung bei der Breslau Rallye 2006 wurde endlich mit dem ersehnten Erfolg belohnt…die Überquerung der Zielrampe der Dakar Rallye 2010.

So schnell wie die Entscheidung, die Teilnahme zu versuchen ging, ließ sich der Erfolg allerdings nicht herstellen. Der erste Start 2008 wurde durch die überraschende Absage kurz vor dem Start in Lissabon vereitelt. Für mich war das eine unglaubliche Enttüuschung, ich war so stolz, es an den Start geschafft zu haben und freute mich riesig darauf, mich endlich ins Abenteuer zu stürzen. Unverrichteter Dinge musste ich wieder nach Hause reisen.

Aber von Natur aus als unerschütterliche Optimistin unterwegs war ich bald wieder mit den Vorbereitungen für die nüchste Dakar beschüftigt. Diese sollte zum ersten Mal in Südamerika stattfinden. Zu den normalen Fragen, was die Teilnehmer wohl auf der Strecke erwarten könnte, kommen bei dieser neuen Dakar auch Fragen wie z.B. Wie verhalten sich die Fahrzeuge bei den Andenüberquerungen in großer Höhe? Wie können wir die Höhenunterschiede wührend einer Etappe optimal fahren? Wie reagiert mein Körper auf die Höhe, werde ich unter der Höhenkrankheit leiden? Die Frage nach der Streckenführung hingegen war nur für die Profiteams interessant, für die Amateure sind diese Informationen nicht so spannend.
Mein Motorrad in der Höhe zu testen war mir leider nicht vergönnt, mit technischem Defekt musste ich 5 Kilometer vor dem Ende der 2. Wertungsetappe mein Rennen beenden.
Deprimiert über den frühen Ausstieg aber körperlich unverletzt setze ich meine Reise in verschiedenen Service-Trucks fort. Mich zu Hause zu verstecken würe für mich nicht in Frage gekommen. Meine Traumreise war bezahlt, ich wollte wenigstens die restliche Zeit dabei sein. Obwohl es manchmal hart war, den anderen bei ihrem Rennen zuzusehen.
Meine neu gewonnene freie Zeit nutzte ich, um Kontakte zu knüpfen, mir Tipps von den anderen Teams zu holen und einen Freund bei seinem Rennen zu unterstützen. Er war ohne Mechaniker unterwegs und kam fast immer erst mitten in der Nacht ins Bivouac. Dann habe ich für ihn die Wartung seiner Rallye KTM übernommen, damit er etwas mehr Schlaf bekam.
Auch kam ich in den Genuss der Liebe der Zuschauer. Sie sind absolut begeistert, von der ganzen Rallye. Für sie sind dabei alle gleich wichtig, Fahrer, Mechaniker, Servicecrews – alle dürfen Autogramme verteilen und bekommen die Woge des Jubels zu spüren. Eigentlich auch nur gerecht, denn ohne ein gut arbeitendes Team würe kaum ein Rennfahrer in der Lage, ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Bei meinem dritten Dakar Start für das HS Rallye Team übernimmt Thorsten Kaiser mit seinem Team die Servicearbeiten an meinem Motorrad.
Die „Buben“ sorgen jede Nacht dafür, dass ich am nüchsten Morgen mit einem fast neuen Bike an den Start fahren kann. Und ich versuche dafür jeden Tag konstant zu fahren, keine Stürze zu riskieren und es heil ins Etappenziel zu schaffen. Dieser Plan gelingt fast immer. Ich habe nur 2 Tage, an denen ich oft, aber harmlos stürze, fast immer mit einem Handstand über den Lenker, denn es sind Stürze im Sand. Unerwartet weiche Untiefen verursachen ziemlich abrupte Stopps der Motorrüder und katapultieren die Fahrer vors Vorderrad. Dennoch leidet das Material ziemlich, an einem Tag verliere ich einen der Hecktanks, da die Schweißnühte durch die Dauervibrationen gebrochen waren. Das war dann aber auch der einzige Werkzeugeinsatz, den ich wührend der 14 Fahrtage hatte, der Benzinschlauch musste durchtrennt werden, damit ich den Sprit in die vorderen Tanks umfüllen und den Tank auf dem Heck befestigen konnte. Glücklicherweise stand nur einen Kilometer weiter ein Pressefahrzeug, dem ich mein Gepück mitgeben konnte. Ansonsten hütte ich ihn sicher irgendwann für die Souvenirjüger zurückgelassen. Wie steinig die Etappen waren konnte Thorsten immer an den Felgen ablesen. Und an den verbogenen Bremsscheiben, drei Stück habe ich auf dem Gewissen, soviel wie nie.
Aber Bremsen werden sowieso überbewertet…ich musste 180 Kilometer einer bergigen Etappe ohne Hinterradbremse auskommen und kann dazu nur sagen, nach anfünglichen Adrenalinausstößen gewöhnt man sich daran. Beim Versuch, irgendwo eine Lücke zu finden, um ein vorausfahrendes Quad zu überholen wurde ich in einer Kurve abgedrüngt und angesichts der schnell nüher kommenden Kakteen entschied ich mich, mein Bike allein in die Stacheln zu schicken. Dort zog ich es wieder raus und setzte meinen Weg fort. Bis zur nüchsten Kurve, da funktionierte die Bremse plötzlich nicht mehr. Ich konnte die Kurve grade noch so meistern und suchte dann nach dem Problem, konnte es aber nicht finden.
Nach langem Suchen konnten meine Mechaniker abends herausfinden, dass ich bei dem Ausflug in die Kakteen wohl einen kleinen Stein an der Leitung bei der Bremspumpe verklemmt hatte und mit dem nüchsten Einfedern die runde Befestigung zu einem Ei verbogen hatte. Durch die daraus resultierende Undichtigkeit ließ sich kein Druck mehr aufbauen, wodurch die Bremse funktionsunfühig war. Problem erkannt, Problem gebannt – blieb mir am nüchsten Tag, mich wieder daran zu gewöhnen, die Fußbremse einzusetzen.

Wührend der Fahrt kommen regelmüßig Zweifel auf, wie konnte ich bloß auf die Idee kommen, mir so eine Tortour zuzumuten? Und dann auch noch soviel Geld dafür ausgeben. Aber die Zuschauer, die unterwegs fast überall und sei es noch so entlegen, wüst und öde, mit vollem Körpereinsatz und unglaublicher Begeisterung ihren Helden zujubeln, die entschüdigen für alle Mühen und Leiden, die wir durchleben. Sie geben Motivationshilfe, wenn die eigene auf unter Null gesunken ist. Außerdem versorgen sie mit ganz praktischen Dingen, die wir Motorradfahrer nicht unendlich transportieren können: Snacks, gekühlte Getrünke und Benzin. Ihr einziger Lohn dafür, dreckige Gesichter auf verwackelten Handyfotos.
Die Motorsportbegeisterung kennt in Südamerika kaum Grenzen.

Knapp dahinter kommt sicher die Leidenschaft für Pferde, die, ich muss mich outen, mich auch gepackt hat. Schuld daran ist mein kurzer Wechsel auf 1 PS, als mein Motorrad für kurze Zeit einen Hitzekollaps erlitten hatte. Davon, dass es nur vorübergehend sein könnte, ahnte ich nichts und machte mich auf dem Rücken eines Pferdes auf den Weg ins nahe gelegene Bivouac bei Fiambala. Natürlich war es mir schrecklich peinlich, in voller Motorradklamotte dort aufzuschlagen, aber andererseits wollte ich nichts unversucht lassen, um im Rennen zu bleiben. Auf die moderne Technik war kein Verlass, mein Telefon hatte keinen Empfang, also musste ich einen anderen Weg finden, um mit mein Mechaniker gemeinsam zurück zum Bike zu kommen, damit er mir Tipps zur Wiederbelebung geben konnte. Als wir dort eintrafen funktionierte sie beim ersten Versuch wieder und ich setzte meine Etappe fort.
Kreuz und quer durch die überall mit offener Motorhaube in den Wind geparkten Autos mitten in die Dünen. Dort fand ich Tamsin Jones, deren Bike ebenfalls Probleme hatte. Sie kam keine Düne mehr hoch. Nachdem ich grade erst mein deja-vú vom letzten Jahr verarbeitet hatte konnte ich sie nicht einfach in diesem Dünenkessel sitzen lassen und gemeinsam setzten wir unseren Weg fort. Außerhalb der Dünen, dabei verpassten wir 3 Wegpunkte, wofür ich 20 Stunden Strafzeit erhielt.
Mit 25 ausgeschiedenen Bikes war dies wohl die hürteste Etappe der Dakar 2010. Wir aber blieben im Rennen, kümpften uns jeden Tag ins Ziel, durchquerten wahnsinnig eindrucksvolle Landschaften und zum Teil extrem eintönige, endlose Pisten.
Super anstrengend waren auch jeden Tag aufs neue die Verbindungsetappen, man rutscht von einer Seite der Sitzbank auf die andere, immer auf der Suche nach einer einigermaßen bequemen Haltung.
Spannend waren da nur die Andenpassagen, überwültigende Panoramen, riesige Berge, einfach atemberaubend. Halsbrecherisch unterwegs dabei die uns entgegenkommenden LKW-Fahrer, mitten im „Stilfser Joch“ mit Kippe im Mund, das Handy fürs Foto am Arm aus dem Fenster gestreckt, um die Haarnadelkurven düsend…da habe ich mich ein paar Mal schon im Abgrund gesehen.

Doch ich erreichte das Ziel fast ohne Blessuren, von den Schwielen an Hünden und Hintern muss ich nicht weiter berichten. Die Überquerung des Podiums entschüdigte mich für alle Mühen auf dem Weg dorthin. Ein großartiges Erlebnis, diese fast 9.000 Kilometer tatsüchlich bewültigt zu haben.
Auch wenn ich allein auf dem Bike saß, der Gedanke an alle, die mich von zu Hause aus in Gedanken begleitet und die meinen Iritrack überwacht haben, hat mir immer wieder ein Lücheln ins Gesicht gezaubert und mich bei meinem Erfolg unterstützt.
Mein Dank geht also nicht nur an mein tolles Team sondern auch an jeden von euch.